AM_Reinforce zeigt, wie biologisch inspirierte Faserarchitekturen additiv gefertigte Bauteile signifikant verstärken – mit bis zu zehnfach höherem E-Modul und dreifacher Zugfestigkeit.
Additive Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck haben sich als wirtschaftliche Lösung für die werkzeuglose Herstellung individueller Kunststoffbauteile und Kleinserien etabliert. Trotz dieser Vorteile stoßen additiv gefertigte Bauteile bei strukturellen Anwendungen schnell an ihre Grenzen: Die vergleichsweise geringe Steifigkeit und Festigkeit schränken die Tragfähigkeit erheblich ein. Zwar lassen sich die mechanischen Eigenschaften durch Faserverstärkung verbessern, doch die bislang eingesetzten Verfahren orientieren sich in der Regel ausschließlich an den Druckpfaden und nicht an den realen Belastungspfaden innerhalb der Struktur.
Genau hier setzte das Projekt AM_Reinforce an. Ziel war die Entwicklung einer biologisch inspirierten Methode zur lastgerechten Endlosfaserverstärkung additiv gefertigter Tragstrukturen. Das Bionik-Innovations-Centrum (B-I-C) unterstützte das Projekt durch die Entwicklung eines Numerik-Tools zur optimalen Ausrichtung der Verstärkungsfasern entlang der Hauptbelastungspfade – nach dem Vorbild natürlicher, lastadaptiver Faserarchitekturen.
In Kooperation mit der J. Schmalz GmbH und dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik wurde die Methode an einem Kragarm eines ergonomischen Handhabungssystems erprobt, wie er beispielsweise in Exoskeletten zum Heben von Lasten eingesetzt wird. Zunächst wurde ein an den Bauraum angepasstes CAD-Modell entwickelt und mittels SKO optimiert. Anschließend erfolgte mit CAIO die Berechnung der optimalen Faserpfade, die in ein fertigungsgerechtes Kanalmodell überführt wurden.
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Darstellung des weiteren Entwicklungsprozess: (A) Ein Drahtmodell zur belastungsgerechten Anordnung der Faserverstärkung, (B) die Erstellung der Kanalstruktur und (C) das CAD-Modell für die Bauteilstruktur. (Quelle: B-I-C)
Die aus den abstrahierten Hauptlastpfaden abgeleiteten Kanalstrukturen wurden additiv gefertigt und mit Endlosfasern verstärkt. Die anschließenden FEM-Simulationen sowie die experimentellen Untersuchungen an den vom Fraunhofer gefertigten Prototypen zeigten eindrucksvolle Ergebnisse: Das Zug-E-Modul konnte im Vergleich zu einer unverstärkten Struktur um den Faktor zehn gesteigert und die Zugfestigkeit verdreifacht werden.
Damit demonstriert AM_Reinforce eindrucksvoll das Potenzial biologisch inspirierter Konstruktionsmethoden für die gezielte Verstärkung additiver Strukturen – mit hoher Relevanz für Leichtbau und industrielle Anwendungen.
Hauptnormalspannungen am Modell (links) und an den Faserkanälen (rechts): Rottöne zeigen die Zugspannungen, Blautöne zeigen die Druckspannungen. (Quelle: B-I-C)
Additiv gefertigter Prototyp (Quelle: Fraunhofer IWU)
Das Forschungsprojekt AM_Reinforce wurde wurde im Rahmen des „Ideenwettbewerbs Biologisierung der Technik“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Prof. Dr. Antonia Kesel
Prof. Dr. Susanna Labisch
Hannah Isermann (B. Sc.)