Biomimetics-Innovation-Centre

BIONIK-INNOVATIONS-CENTRUM
(B-I-C)

Optimierung, Konstruktion & Leichtbau

Die Natur beeindruckt durch Konstruktionen und Methoden, die an Effizienz nicht zu übertreffen sind. Ziel der Bionik sind die Entschlüsselung und Umsetzung dieser, da so Konstruktionsprozesse beschleunigt und das Ergebnis verbessert werden kann. Dabei interessiert zum Einen der Konstruktionsvorgang als zielgerichteter Prozess, der auch die besondere Anordnung von Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften mit einschließt. Zum Anderen auch die Abstraktion der „Arbeits“-Methoden der Natur (z.B. Wachstum von Bäumen oder Knochen), die in der Konstruktion von Bauteilen zur Anwendung kommen. Solche Methoden sind als CAO und SKO bekannt und helfen Bauteile herzustellen, die bei gleicher Tragfähigkeit leichter sind.

Digitalmikroskop-Aufnahmen (oben) und schematische Darstellung der Anordnung des Sklerenchyms (unten) des Querschnittes von Blattstielen (links: Trauerweide, rechts: Gewöhnliche Haselnuss), die als Inspiration für den Aufbau bionisch optimierter Profilbalken dienen (Quelle: B-I-C). 

Dieses Projekt wird zurzeit am B-I-C weitergeführt. Die Idee stammt aus einer Bachelorarbeit:

Stanke B. T. (2012): Sklerenchymverteilung in Blattstielen sommergrüner Laubbäume und die mechanischen Eigenschaften davon inspirierter Profilbalken. Bachelorarbeit Internationaler Studiengang Bionik, Hochschule Bremen, unpubliziert. 

# Kompetenzen

In vielen Projekten wurden und werden diese Strukturen und Methoden am B-I-C untersucht und angewendet. Dabei wird sowohl das Verhalten von biologischen Vorbildern betrachtet, um daraus Anregungen für die Lösung technologischer Probleme zu entwickeln („Technology Push“), als auch auf zielgerichtete Problemstellungen von Industriepartnern reagiert („Technology Pull“).  

Ein Augenmerk der „Technology Push“ getriebenen Forschung am B-I-C waren die mechanischen Eigenschaften von Insekten. Hier wurde z.B. das Außenskelett, die Kutikula, näher betrachtet. Bei der Kutikula handelt es sich um ein hochkomplexes, mehrschichtiges Faserverbundmaterial, das die Insekten bei ihren Landevorgängen schützt, bei denen sie hohen Kräften ausgesetzt sind. Dabei trägt nicht nur der Verbundwerkstoff an sich, sondern auch dessen jeweilige Anordnung maßgeblich zur mechanischen Belastbarkeit der Tiere bei. Von besonderem Interesse aus technischer Sicht ist hierbei, dass Strukturen aus diesem Werkstoff beim biologischen Vorbild in vielen Fällen als Leichtbauteile ausgebildet werden – was wiederum der Flugfähigkeit der Organismen geschuldet ist. Es bieten sich eine große Vielfalt an potentiellen Übertragungsmöglichkeiten in technische Anwendungen: vom robusten Lander für extraterrestrische Exploratoren bis hin zur stoßfesten Verpackung für Transportgut mit unterschiedlichster Dimensionen und Empfindlichkeiten.

Links zu sehen ist eine REM-Aufnahme des Vorderflügels eines Käfers, der deutlich als „Doppelschale“ ausgebildet ist. Diese Geometrievorlage wurde in ein FEM-Modell übertragen (Mitte) und Spannungen an einem 2D-Schalenmodells eines lokal belasteten Flügelquerschnitts untersucht (rechts). Anhand dieser Analyse wird erkennbar, dass von der Verformung der Oberschale kaum eine Übertragung auf die untere stattfindet, gleiches gilt für die Spannungen (Quelle: Kesel et al. 2003).

Die grüne Bananenschabe (Panchlora nivea) auf dem linken Bild zeigt einen flachen, elliptischen Habitus (Quelle: Mark Dumont/flickr/CC). Das an diesen Körperbau orientierte FEM-Modell rechts besteht aus 7 Segmenten, die jeweils über hochelastische Werkstoffanteile (Resilin) miteinander verbunden sind. Durch die Integration der elastischen Thorax-Anteile wird eine stärkere Abflachung und somit großflächigere Verteilung des Impacts nach dem Auftreffen auf den Boden erreicht wie im Vergleich zu einem FEM-Modell ohne Resilinanteile (Mitte) zu erkennen ist. Die kalkulierten Maximalspannungen werden bei dem hier dargestellten Auftreff-Winkel von 10° um 35 % reduziert. 

Ein Beispiel für „Technology Pull“ getriebene Forschung im Bereich Konstruktion war die Anfrage eines Industriepartners nach alternativen und innovativen Dübeln für Leichtbaumaterialien. Diese stellen eine Innovation im Bausektor dar, aber ihre Verwendbarkeit und Marktakzeptanz hängt maßgeblich von der Existenz dafür geeigneter Füge- und Befestigungslösungen ab. Am B-I-C wurden eine Vielzahl von biologischen Vorbildorganismen betrachtet. Im Augenmerk standen unteranderem die Nesselzellen der Cnidaria (Nesseltiere), die in der äußeren Schicht der Tiere eingebettet sind und zum Beutefang oder zur Abwehr von Feinden oder Konkurrenten eingesetzt werden können, als auch parasitäre Organismen, bei denen die mechanische Interaktion zwischen Parasit und Wirt am jeweiligen Befestigungspunkt bzw. -areal und die Adaption des Haft- bzw. Perforationsapparates näher betrachtet wurden. Identifizierte Prinzipien und Strategien wurden abstrahiert und auf ihre Übertragbarkeit in technische Anwendungen und Produkte im Leichtbau überprüft. 

Links zu sehen ist die REM-Aufnahme des Stechapparates der Zwergzikade (Quelle: Leopold et al. 2003), deren Prinzip unteranderem als Vorbild für den als CAD-Modell in der Mitte dargestellten Leichtbau-Dübel abstrahiert wurde. Der Grundkörper ist grün eingefärbt, die vom Vorbild Zikade abstrahierten Seitenarme sind rot hervorgehoben. Auf dem Foto rechts sind zwei 3D-gedruckte Demonstratoren zu sehen, wovon der rechte das mittige CAD-Modell darstellt. Er stammt aus der Bachelorarbeit von Felix Förster. Der weitere Entwurf ist von Marcus Hollermann:

 

  • Förster F. (2008): Entwicklung eines bioinspirierten Befestigungssystems zur Verankerung in Wärmedämmverbundsystemen. Bachelorarbeit im Internationalen Studiengang Bionik, Hochschule Bremen, unpubliziert.
  • Hollermann M. (2008): Entwicklung eines bioinspirierten Befestigungssystems zur Verankerung an Gipskartonplatten. Bachelorarbeit im Internationalen Studiengang Bionik, Hochschule Bremen, unpubliziert.


Beide ISB-Absolventen wurden für ihre Abschlussarbeiten mit dem „Internationalen Bionic-Award 2010“ ausgezeichnet. Außerdem dienten ihre Arbeiten als Grundlage für das vom BMBF geförderte Projekt „BioFix“, das in Kooperation mit den fischerwerken GmbH & Co. KG durchgeführt wurde.

# Aktuelle Projekte

Neben dem bereits oben erwähnten Projekt über die mechanischen Eigenschaften von Blattstielen, wird zurzeit am B-I-C im Verbundprojekt AM_Reinforce ein Numerik-Tool zur lastgerechten Orientierung von Endlosfasern in additiv gefertigten Strukturen nach biologischem Vorbild entwickelt. Ziel des gesamten Projektes ist die Entwicklung einer biologisch inspirierten Methode zur belastungsgerechten Endlosfaserverstärkung additiv gefertigter Tragwerke.